Die steigenden Mieten auf dem Berliner Wohnungsmarkt stürzen viele Haushalte in wirtschaftliche Notlagen. Die Folgen der harten „Wellenbrecher-Lockdowns“ zur Bekämpfung der Coronakrise leisten einen entscheidenden Beitrag zur Verschärfung der Lage vieler Familien. Einkommensausfälle durch Kurzarbeit und fehlenden Arbeitsmöglichkeiten durch geschlossene Schulen und Kitas steigern das Risiko, Mietschulden in erheblichen Größenordnungen anzuhäufen. Momentan sind Mieter noch geschützt, aber niemand weiß, wie lange die Politik die Möglichkeiten zur fristlosen Wohnungskündigung und Zwangsräumung wegen Mietschulden ausgesetzt lässt.
Schuldnerberater werden immer öfter mit Mietschulden konfrontiert
Die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin e.V. (kurz LAG SIB) bezeichnet den Zustand bei den sogenannten Primärschulden schon seit einiger Zeit wörtlich als „besorgniserregend“. In den letzten Jahren trafen die Berliner Schuldnerberater in rund einem Viertel aller Fälle auf Mietschulden. Die Schulden rund um die Wohnkosten machen im Durchschnitt mehr als 5.400 Euro aus. Zwar ist dieser Betrag mit knapp 2.000 Euro bei den Energieschulden niedriger, dafür finden sich Energieschulden bei rund 30 Prozent aller Menschen, die in den Berliner Schuldenberatungsstellen Hilfe suchen. Das deckt sich mit Erhebungen des Statistischen Bundesamts, nach denen bundesweit rund 20 Prozent aller bei den Schuldnerberatungen Hilfe suchenden Menschen auch erhebliche Mietschulden haben. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts sind Mietschulden bei den Einwohnern der großen Metropolen deutlich häufiger als bei den Mietern in ländlichen Regionen. Die Ursache ist bei den Unterschieden der Miethöhe zwischen kleinen Kommunen und Großstädten schnell gefunden.
Berlin ist Stadt mit den meisten Zwangsräumungen
Die hohen Preise für Mietwohnungen haben der deutschen Hauptstadt einen Negativrekord beschert. In Berlin gibt es im Vergleich mit den anderen Top-Metropolen in Deutschland die meisten Aufträge und Klagen zur Durchsetzung von Zwangsräumungen aufgrund von Mietschulden. Auf jeweils 750 Einwohner kommt in Berlin pro Jahr mindestens eine Zwangsräumung. Nach den Angaben des Mietervereins Berlin sind die Stadtteile Charlottenburg, Hellersdorf, Marzahn, Spandau und Wilmersdorf am häufigsten betroffen. Obwohl München ähnlich hohe Mieten hat, liegt die Zahl der Zwangsräumungen bei einem Fall pro 1700 Einwohner und Jahr. Zwangsräumungen waren für die Vermieter bisher eine sehr lukrative Sache, weil sie bei einer Neuvermietung die Mietpreise deutlich anheben können. Noch gibt es keine belastbaren Zahlen, wie sich die Einführung des Mietendeckels auf die Zahl der Zwangsräumungen bei Mietwohnungen in Berlin ausgewirkt hat.
Immobilienkäufe führen nur selten zur Schuldnerberatung
Diesen Fakt belegen Zahlen des Statischen Bundesamts. Danach geht der Anteil der für eine Überschuldung verantwortlichen Immobilienfinanzierungen seit dem Jahr 2010 kontinuierlich zurück. Gescheiterte Immobilienfinanzierungen machten 2010 bundesweit noch rund 4,1 Prozent aller Überschuldungen aus. Im Jahr 2019 lag der Anteil nur noch bei 1,6 Prozent. Das beweist ein gestiegenes Verantwortungsbewusstsein der Käufer und Banken bei der Ausreichung von Darlehen für den Wohnungskauf in Berlin und anderswo. Die Hauptursache für eine Überschuldung ist mit 19,9 Prozent aller Fälle der Verlust des Arbeitsplatzes. Auf dem zweiten Rang landen mit 16,3 Prozent Einkommensreduzierungen durch die Folgen von Unfällen und Erkrankungen. Ansonsten spielt eine unwirtschaftliche Haushaltsführung mit 14,3 Prozent eine wichtige Rolle.
Berliner häufen Mietschulden durch den Bezug von Hartz IV an
Nach den Angaben einer Berliner Senatorin (Elke Breitenbach) ist die Berechnungsweise beim Bezug von Hartz IV in vielen Fällen die Ursache von Mietschulden und Zwangsräumungen. Die steigenden Preise für Mietwohnungen in Berlin haben dafür gesorgt, dass zahlreichen Bedarfsgemeinschaften bei Hartz IV nicht die vollständigen Wohnkosten gezahlt werden. Rund 90.000 Berliner Haushalte müssen Teile der Wohnkosten aus den allgemeinen Bedarfssätzen decken. Aktuellen Statistiken zufolge fehlen den betroffenen Haushalten durchschnittlich 135 Euro pro Monat. Das heißt, der Mietendeckel Berlin ist nicht die alleinige Lösung. Er muss durch eine Anpassung der beim Bezug von Hartz IV erstattungsfähigen Wohnkosten ergänzt werden.
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