Viele Menschen suchen Alternativen zu den dauerhaft hohen Kosten bei Mietwohnungen. Sie wähnen sich bei Wohnungsbaugenossenschaften auf der sicheren Seite. Doch das trifft nicht immer zu, wie der Fall GENO eG beweist. Am 1. März 2021 verhängte die Strafkammer des Landgerichts Stuttgart eine lange Haftstrafe gegen Jens Meier, den Vorstandvorsitzenden der Wohnungsbaugenossenschaft. Er musste sich wegen mehrerer Delikte verantworten.
Mietkauf versus Mietwohnung und Sofortkauf
An sich ist der Mietkauf für Wohnungen und Häuser eine gute Sache. Es handelt sich dabei um einen Mietvertrag mit einer konkret definierten Kaufoption für das gemietete Objekt. Zum Vertragswerk gehört eine Vereinbarung, dass die Mietzahlungen teilweise oder die komplett auf den vereinbarten Kaufvertrag angerechnet werden. Für die Käufer hat das mehrere Vorteile. Sie können die bevorzugte Wohnung oder das Haus schon vor dem Kauf nutzen. Mit der Miete bauen sie Eigenkapital auf, was den späteren Kreditbedarf verringert oder sogar vollständig vermeidet. Das ist analog bei Baugenossenschaften über den kontinuierlichen Erwerb von Genossenschaftsanteilen möglich, die später als Kaufpreis für die genutzte oder ins Auge gefasste Wohnung eingesetzt werden können. Gerade in Niedrigzinsphasen sind die mit Genossenschaftsanteilen erzielbaren Renditen meist höher als die vergleichsweise über Tagesgeldkonten oder Festgeldkonten erreichbaren Guthabenzinsen.
Wann ist ein Mietkauf mit Risiken verbunden?
Wer Genossenschaftsanteile kauft, muss sich immer der Tatsache bewusst sein, dass er damit zum Miteigentümer der Genossenschaft wird. Das heißt, tatsächlich handelt es sich beim Kauf der Anteile an einer Baugenossenschaft um den Erwerb von Geschäftsanteilen mit allen damit verbundenen Nachteilen. Sie schließen sowohl das Risiko eines Totalverlusts als auch eine eventuelle Nachschusspflicht ein. Dass der Kauf von Anteilen an Baugenossenschaften dennoch beliebt ist, resultiert aus der niedrigen Insolvenzquote. Sie lag bundesweit über viele Jahre hinweg bei weniger als 1 Prozent. Der Fall GENO eG zeigt, dass das Insolvenzrisiko trotzdem nicht vernachlässigt werden darf.
Der Mietkauf der GENO eG wurde als Schneeballsystem enttarnt
Hinweise auf Unstimmigkeiten gab es bereits Mitte der 2010er Jahre. Die Düsseldorfer Wirtschaftszeiten bezeichnete den drohenden Konkurs der GENO eG schon 2018 wörtlich als „spektakulärste Pleite der Region“. Inzwischen steht fest, dass es sich um einen gigantischen Betrug handelte. Das Unternehmen schrieb seit 2011 rote Zahlen. Nach Auffassung der zuständigen Staatsanwaltschaft war bereits 2014 klar, dass eine Insolvenz nahezu unausweichlich drohte. Dennoch bot das Unternehmen unter Führung von Jens Meier weiterhin den Erwerb von Genossenschaftsanteilen an und stellte die GENO eG dabei als kaum risikobehaftet dar. Ein Großteil der Einnahmen wurde innerhalb der Unternehmensgruppe an die Bereiche verschoben, die für die Kundenakquise zuständig waren. 2018 erfolgte die Konkursanmeldung für die GENO eG und im Jahr darauf auch für die GENO AG.
Welche Folgen hat der Konkurs der GENO eG und GENO AG?
Die strafrechtliche Verurteilung von Jens Meier bringt eine ganze Branche in Verruf. Viele Interessenten für den Kauf von Mietwohnungen und Miethäusern über den Mietkauf wurden massiv verunsichert. Dafür sorgt allein schon die Zahl der Opfer von Jens Meier. Schätzungen zufolge sollen mindestens 5000 gutgläubige Käufer betroffen sein. Sie verlieren nicht nur das Geld, was sie für die Genossenschaftsanteile bezahlt haben, sondern wurden vom Insolvenzverwalter im Rahmen der Nachschusspflicht zu teils fünfstelligen Zahlungen aufgefordert. Dazu sind inzwischen unzählige Gerichtsverfahren anhängig. Die Opfer haben jetzt lediglich die Hoffnung, unter Berufung auf eine arglistige Täuschung bei der Beratung zum Kauf der Produkte aus der Nachschusspflicht entlassen zu werden.
Fazit: Wer über Mietkauf Wohneigentum erwerben möchte, sollte die Daten des Anbieters genau anschauen (beispielsweise Quartals- und Jahresberichte). Interessenten sind falsch beraten, wenn sie sich ausschließlich von den Vermittlern angegebenen Daten verlassen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass Vermittler für vorsätzliche Falschangaben haften und dafür daraus resultierende Vermögensschäden eine berufliche Haftpflichtversicherung abschließen müssen.
Bild von Aldair Velázquez Ramírez auf Pixabay